Sozialraum Kraftstein
Das Landheim Kraftstein ist seit seiner Existenz ein Ort der Begegnung. Tausende Menschen haben dort gemeinsam Zeit verbracht, prägende Erfahrungen gesammelt und Feste gefeiert. Neben Familienfreizeiten, Fortbildungseinheiten, Arbeitseinsätzen und Jungscharwochenenden finden auch Aktivitäten großer Gruppen statt. Die personenstärksten Highlights sind das Konficamp und das Jungscharlager der Evangelischen Jugendwerke Tuttlingen und Möhren. Zeltlager haben eine lange Tradition: Bereits im Landheim-Erbauungsjahr 1952 fand das erste Lager statt. Aus der “Kraftstein-Urzeit” stammen auch Formate, die große Menschenmengen aus umliegenden Kirchengemeinden und dem Kirchenbezirk sowie Wanderer auf den Kraftstein locken. Ab der Erbauung des Landheims 1952 Jahren fand jährlich ein Sommerfest statt, welches schätzungsweise in den 1970ern eingestellt wurde. Ein heutzutage etabliertes und beliebtes Fest ist die “Mai-Hockete” am ersten Mai jeden Jahres.
Zeltlager auf dem Kraftstein
Juli und August sind die Monate der Zeltlager auf dem Kraftstein. Jahr für Jahr wird ein Zeltdorf, ein Küchenzelt sowie zwei große Festzelte (Essenszelt und Aufenthaltszelt) errichtet, ehe Teilnehmende und Betreuende einziehen können. Seit vielen Jahren finden das Konfi-Camp (Wochenend-Freizeit) im Juli und das 10-tätige Jungscharzeltlager zu Beginn der Sommerferien statt. Beide Lager verzeichnen im Schnitt 120 Teilnehmende plus 30 bis 40 Betreuende sowie Küchenteam.
Jedes Zeltlager steht unter einem Motto, entlang dessen sich ein roter Faden durch Programmpunkte und Lagerbauten zieht. Die Teilnehmenden übernachten in Zehn- bis Zwölfpersonenzelten und begegnen sich thematisch angelehnt auch in zeltübergreifenden Gruppen. Zu den Zeltlagern gehören auch Hobbygruppen, Theaterabende, Postenläufe, Andachten, Singen am Lagerfeuer, Übernachtung im Freien, Badeausflüge, Wasserspiele und Duschstraße. Seit dem Jahr 2021 gibt es im August ein weiteres Kraftstein-Zeltlager für ältere Teilnehmenden (“Clublager”), welches sich durch altersgruppengerechte Inhalte zum Jungscharzeltlager unterscheidet. Infos zu allen Freizeitangeboten unter ejtut.de.
Jungscharlager damals
Die anfänglichen Lager auf dem Kraftstein (ab 1952) hatten damals schon den Ruf eines etwas größeren Zuschnitts, sind mit den heutigen jedoch kaum mehr zu vergleichen. Ein markantes Merkmal ist z.B., dass die Lager der Jungenschaft und der Mädchenschaft zwar zeitgleich stattfanden aber Schlafquartiere (Mädchen im Haus, Buben in der Zeltstadt) und einige Programmpunkte unterschiedlich waren. Die eigens umzäunte Zeltstadt durfte von Mädchen nur unter Begleitung der Lagerleitung betreten werden (dies wurde sogar in Zeitungsberichten unterstrichen). Fotoalben weißen auch darauf hin, dass an getrennten Tischen gegessen wurde. Die Mädchen wuschen sich am Hofgut Kraftstein, die Buben mussten zur Quelle in das Ursental wandern. Doch nicht jedes Jahr fanden “gemischte Lager” statt – Aufschriebe verzeichnen bis in die späten 1980er hinein gänzlich getrennte Buben- und Mädchenlager auf dem Kraftstein.
Während heute ein Zeltlager an der Nendinger Kapelle startet, begann der Weg zum Kraftstein früher in Tuttlingen – manchmal zu Fuß oder manchmal mit dem Fahrrad inklusiv wehender Eichenkreuzfahne. Die Teilnehmenden teilten sich zu Beginn der Lager in “Sippen” oder “Familien” auf. Programmpunkte wie Wettkochen der Sippen, Gesangswettstreit, Bewertung der Lagerordnung und Lagerolympiaden (bestehend aus sportlichen Wettkämpfen und dem Vortragen auswendig gelernter Lieder- und Bibelverse) sind in Chroniken verzeichnet. An der Tagesordnung waren auch handwerkliche Aktivitäten wie das Anfertigen von Zäunen um die Zeltstadt, Schuhabstreifer, Handtuchtrockner, Kleiderständer und Papierkorb – auch hier wurde gerne verglichen, wie verschiedene Sippen die Bauten gestalteten. Jedes Lager stand zudem unter einer Lagerlosung und einem Lagerlied.
Zur Vergangenheit gehören ebenfalls Überfälle anderer Zeltlagergruppen mit dem Ziel, die Lagerfahne zu stehlen oder etwas anderes anzustellen. Ebenfalls Überfälle aus “Jux und Tollerei” von fremden Personen hielten die Lagerleitungen immer wieder auf Trapp. Diese “Überfall-Kultur” rückte über die Jahre hinweg in ein zunehmend zwiespältiges Licht, wodurch zeitweise das Zeltlager auch partiell mit Stacheldraht abgesichert war. Heutzutage wird bei nicht abgestimmten Überfällen umgehend die Polizei verständigt und Anzeige erstattet.
Jungscharlager Mottos – ein Abspann | 2023 Die Schlümpfe | 2022 Zurück in die Steinzeit | 2021 ?? | 2020 Wegen Coronapandemie kein Zeltlager | 2019 Der Schatz von Atlantis | 2018 Zauberwelten | 2017 Wilder Westen | 2016 Robin Hood | 2015 Die alten Wikinger | 2014 Orient | 2013 Ritter | 2012 Asien | 2011 Auf den Spuren Winnetous | 2010 Ab ins Weltall – Jetzt wird’s galaktisch | 2009 Ägypten | 2008 Asterix und Obelix | 2007 Agenten auf geheimer Mission | 2006 Die Piraten von Portago | 2005 Fantasieland Eriador | 2004 Expedition Dschungel | 2003 Wild Wild West | 2002 1001 Nacht – Orient | 2001 Cormac, der Kelte | 2000 Zeitreise / Agenten | 1999 Robin Hood | 1998 Die Welt der alten Griechen | 1997 Abenteuerland Kraftstein und der Stein der Kraft | 1996 El Pueblito II | 1995 Steinzeit | 1994 Bayern (nicht auf dem Kraftstein, sondern am Forggensee) | 1993 Indianer | 1992 Ritter | 1991 Piraten | 1990 El Pueblito | 1989 Jerusalem | 1988 Robin Hood (gemischtes Lager), Ritter (Bubenlager) | 1987 Steinzeit | 1978 Das alte Rittertum | 1977 Auf den Spuren der Azteken (Jungenlager); Auf den Spuren der Indios (Mädchenlager) | 1976 Zigeuner* (Mädchenlager); Jungenlager ohne rekonstruierbares Motto | vor 1975 sind keine speziellen Lager-Mottos dokumentiert.
*Wortlautgemäße Überlieferung, welche heutzutage als übergriffige ethnische Bezeichnung einzuordnen ist.
Feste auf dem Kraftstein
Auf dem Landheim Kraftstein haben bereits viele (Gemeinde-)Feste in unterschiedlichen Formaten stattgefunden. Die Maihockete hat sich seit dem Jahr 1996 etabliert und findet seither am ersten Maifeiertag jeden Jahres statt. Auf dem Programm stehen an diesem Tag ein Gottesdienst, Bewirtung und Kinderprogramm. Dieses Event löste sukzessive das Kraftsteinfest der Kirchengemeinde Tuttlingen ab, welches bis kurz nach der Jahrtausendwende alle zwei Jahre stattgefunden hatte. In den ersten Jahrzehnten “Landheim Kraftstein” gab es das weit über die Bezirke hinweg bekannte Sommerfest im Juli jeden Jahres. Über die Jahre hinweg lockte dieses Großevent hunderte von Menschen auf den Kraftstein. Neben spirituellen, kulinarischen und musikalischen Angeboten, wurden beim Sommerfest auch sportliche Wettkämpfe (z.B. Fußball) ausgetragen.
Weitere Inhalte
Quellen & weitere Publikationen über den Sozialraum Kraftstein
- Ensslin, Gudrun (1954, 1955): Lagerchronik des 2. und 3. Zeltlagers auf Kraftstein.
Anmerkung: Aufgrund des “Bekanntheitsgrades” sind Publikationen von Gudrun Ensslin aus den 1950er Jahren aufgehoben worden. Sie war als Teenager auf Kraftstein-Zeltlagern aktiv – lange vor ihrer späteren Radikalisierung. - Evangelisches Jugendwerk Tuttlingen: diverse Lagerzeitungen
- Hüttenbuch Landheim Kraftstein ab 1954, Standort 2023: Stadtarchiv Tuttlingen
- Kreiner’s Jahrbücher von 1954 bis 1967. Alle Jahrbücher im Jahr 2017 von Pfarrer Dr. Reinhuber vor der Vernichtung gerettet, im Anschluss digitalisiert von Winfried Vogel und im Jahr 2021 an das Stadtarchiv Tuttlingen übergeben.
- Schwäbische Zeitung / Gränzbote.
– 04.08.2023: Jahresurlaub auf dem Kraftstein
– 03.08.2024: Zeltaufräumen statt Handy zocken
– 31.07.2019: 139 Kinder suchen sagenhaftes Atlantis
– 31.07.2018: 142 Kinder in der Zauberwelt “Vienambal”
– 17.10.2018: Wiedersehen nach 65 Jahren – Treffen der ehemaligen Jungscharler auf Kraftstein.
– 08.07.2008: Kraftsteinfest: Der Regen zwingt die Gäste in die Zelte
– 10.08.2007: Jungscharlager: Hier ist eigentlich immer etwas los
– 08.11.2006: Mentorenausbildung: Jugendliche starten ins Ehrenamt
– 22.07.2005: Camp auf dem Kraftstein, Kämpfen um den Konfi-Pokal
– 06.08.2004: Jungscharler erkunden den Dschungel
– 13.07.2004: Gottesdienst und Unterhaltung locken auf den Kraftstein
– August 1967: 15. Jungscharlager auf dem Kraftstein; Die Lagerolympiade und ein “Indianertag” standen im Mittelpunkt des frohen Lagerlebens
– Juli 1967: Auf Kraftstein steht wieder eine bunte Zeltstadt; Gelungenes Sommerfest und Einweihung des erweiterten Landheims / 650 Würste binnen kurzem verspeist
– August 1966: Frohes Leben im Jungscharlager Kraftstein; 160 Teilnehmer des Zeltlagers der evangelischen Jugend
– Dezember 1966: Konfirmandenfreizeit auf dem Kraftstein
– Juni 1966: Strahlende Sonne zum Kraftsein-Lager; Mehr als 1.000 Besucher kamen zum “Bunten Rasen”
– Mai 1965: Pfingstlager des evangelischen Jungmännerwerks
– Frühjahr 1965: Landheim Kraftstein weiterhin Haupttreffpunkt; Mitarbeiter des ev. Jungmännerwerks diskutieren
– August 1963: Mit einer Fülle von Erlebnissen heimgekehrt – Die evangelische Jungschar Tuttlingen erlebte ein fröhliches Sommerlager
– August 1961: Frohes Jugendleben auf dem Kraftstein
– Juli 1960: Zehntes Sommerfest des Ev. Jugendwerks – Auf dem Kraftstein herrscht fröhliches Treiben.
– Frühsommer 1958: Viele Jugendliche beim Dekanatstreffen
– Sommer 1955: In den Lagern unter der Eichenkreuzfahne
– uvm… - Schäfer, V. (2017): Erlebt nochmals eure Schulzeit! Tuttlingens Schullandschaft nach 1945, Seite 288 & 292, Laupp & Göbel Verlag, Gomaringen
- Schäfer, V. (2014): Schulleben in der Nachkriegszeit. Eine Tuttlinger Gymnasialklasse zwischen 1945 und 1952, Seite 115 & 116, Kohlhammer Verlag, Stuttgart.
- Woll, G. (2000): “Wir haben gelernt, daß Reden ohne Handeln unrecht ist” – die Terroristin Gudrun Ensslin, in: Tuttlinger Frauen (Hrsg. Museen der Stadt Tuttlingen), Seite 73 & 74.
- Unbekannte Verfasserin (1956): Lagerchronik des Mädchenlagers auf Kraftstein.